Poetische Landschaft

So sah die Planung aus

‹Poetische Landschaft› nannte sich das regionale Projekt zur Expo 2000 in Hannover, in dem Architektur und Dichtung über einen gemeinsamen Ort eine unmittelbare Beziehung eingingen. ‹Häuser für ein Gedicht› in der Agrarlandschaft, ein ‹Auditorium› als Veranstaltungs- und Akademiegebäude und von diesem räumlich getrennt, doch zugleich deutlich bezugnehmend, die ‹Bibliothek der Landschaft› bilden eine ‹Poetische Landschaft›.

Aus der Begegnung mit der ostwestfälischen Landschaft, ihrer Geschichte und Literatur, verfaßten Schriftsteller aus verschiedenen europäischen Regionen Gedichte: Amanda Aizpuriete (Lettland), Gennadij Ajgi (Rußland), Yves Bonnefoy (Frankreich), Inger Christensen (Dänemark), Michael Donhauser (Liechtenstein), Katarina Frostenson (Schweden), Thomas Kling (Deutschland), Michael Hamburger (England), Friederike Mayröcker (Österreich), Cees Nooteboom (Niederlande), Yoko Tawada (Japan), Peter Waterhouse (Österreich), Andrea Zanzotto (Italien).

Innerhalb der Landschaftsabschnitte, die die Dichter bestimmt hatten, fand der Architekt die genauen Standorte für die Häuser. Es komme ihm vor, schrieb Peter Zumthor, ‹als hätten die Häuser ihren Standort in der Landschaft wie von selbst gefunden. Denn das Suchen der Standorte glich dem Aufspüren des Zentrums eines Kraftfeldes›, ‹eines Energiepunktes, der zu strahlen vermag, weil er etwas zum Strahlen bringt, was vorher schon da war.› Die Häuser für die Gedichte stellte sich Peter Zumthor vor als ‹klar geschnittene, geometrisch geformte Baukörper von hoher Künstlichkeit; fein ornamentierte Volumen aus Licht und Schatten, jedes mit seiner eigenen Farbe und Form, monochrom leuchtend, gebaut mit besonderen Steinen; die Steine, hergestellt aus zusammengepreßten Farbpigmenten, wie ein Gewebe zur lichtdurchlässigen Wandtextur gefügt.› Die Farbigkeit und Geometrie der Gebäude läßt die Natürlichkeit, die gewachsenen Strukturen der Umgebung im Kontrast um so deutlicher hervortreten.

Der Besucher, der das Gebäude betritt, gelangt in einen optisch geschlossenen, atmosphärisch aber zur Umgebung hin offenen Raum. Die Landschaft ist von hier aus nicht zu sehen, aber  Licht,  Geräusche, Temperatur, Feuchtigkeit, Gerüche dringen durch die feinmaschigen Hohlwände in den Innenraum ein. Der Ort des Gedichtes in der Landschaft ist so anwesend und abwesend zugleich, das Haus, in dem der Besucher nichts anderes vorfinden wird als das Gedicht, schafft dem Lesen eine konzentrierte Atmosphäre, ohne die landschaftliche Umgebung davon auszuschließen. ‹Ein neuer Raum, in dem Poesie existieren kann›: Es ist etwas ganz anderes, ob ein Gedicht in einem Buch gelesen wird, eines unter vielen Gedichten, stets vom Umblättern bedroht, vom Klingeln des Telefons, vom Lärm der Straße, oder ob es ein eigenes Haus erhält an ‹seinem› Ort, dem Ort, aus dessen Begegnung heraus es entstanden ist. Die Landschaft ein Gedicht – das Gedicht ein Ort. Ein neuer Raum für Architektur und Poesie. (aus: ‹Architektur wie sie im Buche steht›, Ausstellung 2006/2007 Pinakothek der Moderne, München, sowie u.a. Madrid, Kopenhagen)

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