Brigitte Labs-Ehlert

Wegbereiterin

Brigitte Labs-Ehlert

‹Als Brigitte Labs-Ehlert 1986 nach Detmold zog, war das ein bewußter Schritt, der eine große Umstellung bedeutete. Diese Stille, diese Beschaulichkeit! In Hamburg und Frankfurt hatte sie, geboren 1951 in Stadthagen, Germanistik studiert und mit einer sprachgeschichtlichen Arbeit promoviert, danach kam ihr die ehemalige Hauptstadt des Freistaates Lippe ganz schön bescheiden vor. Zunächst hat sie (mit ihrem Mann) eine Galerie und Bücherstube eröffnet. 1991 ist sie die Leiterin des Literaturbüros Ostwestfalen-Lippe geworden. Die drei Dichtersöhne der Stadt, Grabbe, Freiligrath und Weerth, sind bis heute präsent, und an Malwida von Meysenbug hat kürzlich eine Ausstellung erinnert. Doch vor den Toren Detmolds rauscht, überragt vom Hermannsdenkmal, der Teutoburger Wald, und der rangiert im Bewußtsein der Lipper allemal höher.
Was der deutsche Mythos verdeckt, das hat Brigitte Labs-Ehlert in Ortsbesichtigungen, Recherchen und Lektüren aufgespürt. Mit ‚Literaturbegegnungen’ begann ihr Programm, das auf Kontinuität und den Dialog der Künste setzte: Kontakte zu Schriftstellern, Musikern und Philosophen wurden geknüpft, Auftragsarbeiten erteilt, Verbindungen hergestellt. Das Projekt ‚Poetische Landschaft’, 2002 mit dem Schweizer Architekten Peter Zumthor in Bad Salzuflen geplant, ist zwar Papier geblieben, ‚Wege durch das Land’ aber haben seinen Gedanken weitergetragen: Ausgesucht und avanciert, wie sie Literatur an Orte binden und zu ihnen ins Verhältnis setzen, schärfen sie den Blick für die Region und stellen deren Eigenart heraus. Das Unverwechselbare dieses Fests gründet in der Sensibilität und Distanz seiner Erfinderin: ‚Wahrnehmung gelingt nur dann, wenn man nicht zugreifen möchte’, formuliert Brigitte Labs-Ehlert ihr ästhetisches Credo. ‚Schließlich umfaßt Beobachten das Achten.’› (Andreas Rossmann, FAZ 23.07.2003)

Peter Zumthor, Labs-Ehlert, Inger Christensen
Brigitte Labs-Ehlert

Die Vorstellung, die Kunstform Literatur in all ihren Facetten: intellektuell, emotional und ästhetisch zu entfalten und die Literatur der Vergangenheit als Echoraum der zeitgenössischen Literatur zu begreifen, prägte auch die weiteren von Brigitte Labs-Ehlert ins Leben gerufenen Veranstaltungen für das Literaturbüro. Bei den ‚Internationalen Autorentagen’ in Schwalenberg stand das Werk eines Schriftstellers im Mittelpunkt. ‹Die Autorentage sind so etwas wie Extremkultursport. Sie beenden einen Sommer, in dem sich die Literaturfreunde schon warmgelaufen haben. Dann, Finale, dirigiert von Brigitte Labs-Ehlert, einer schmalen Frau, vom Dichter Cees Nooteboom nachdrücklich ‚die Chefin’ genannt. Drei Tage lang: Eintauchen in ein Werk. Ruhe finden, in Konzentration. Schauen, wie man wohin kam.› (Susanne Mayer, Die Zeit, 5. Oktober 2006). ‹Das alte Wissen darf uns nicht verloren gehen. Das kulturelle Gedächtnis ist mit Orten und Personen und Texten verbunden, es bleibt nur lebendig, wenn man die Geschichten weiter und immer wieder neu erzählt und übersetzt› (Interview in der Lippischen Landes-Zeitung, September 2015). Dafür muß man Zeit, Geduld, Neugierde mitbringen und wird dann mit neuen Erfahrungen und Einsichten und einem überaus lustvollen Hörfest beschenkt, wie bei den Internationalen Hölderlin-Tagen, den inszenierten Lesungen der Isländer-Sagas und dem viertägigen Homerischen Lesefest in Corvey zur Ilias: ‹Was war der Grund für den subkutanen, also unter die Haut gehenden Erfolg der homerischen Lesungen? Die Corvey-Gesänge machten deutlich, wie suggestiv die Neuübersetzung wirkt, wie musikalisch. Das alles, die gesamte minimalistische Untermalung des monumentalen Epos, verdanken wir Brigitte Labs-Ehlert. Daß Corvey zu einem Fest wurde, zu einem für Homer und seinen Übersetzer Raoul Schrott, lag aber vor allem an drei Großtaten, an Hans-Michael Rehberg, an Sibylle Canonica, an Markus Boysen.› (Christian Thomas, Frankfurter Rundschau, 1. September 2008).
‹Weil es Labs-Ehlerts oberstes Ziel ist, die Liebe zur Literatur zu teilen, träumt sie schon vom nächsten Projekt: einer Poesie-Akademie mit Stipendien für begabten Nachwuchs.› (Louisa Reichstetter, Die Zeit, 29. April 2010). Mit Peter Waterhouse gründete sie die Akademie der Lesenden Künste 2012. Diese Akademie reicht weit über das Lesen eines Textes hinaus und hat ganz viel mit Aufmerksamkeit, Respekt, Achtung zu tun. Was Sprache mit uns im Moment des Lesens und des Hörens macht. ‹Einzelne Wörter lösen zum Teil sehr persönliche Assoziationen aus, die Gedanken fliegen frei umher.› (Stefan Keim, Deutschlandradio Kultur, 28. Juli 2012).
Zum 25. Jubiläum wurde Brigitte Labs-Ehlert gefragt: ‹Was haben Sie sich für die Zukunft vorgenommen? – Immer offen zu bleiben für das Neue und Experimentelle und das Alte nicht zu vergessen.›